Gleich muss ich zur Herz-OP, gerade ist es elf und wir, Claudia (die PJ’lerin) und ich, erwarten die Operation für Halb-Zwölf. Eigentlich war sie für heute früh angesetzt – nachdem ich bis halb zwei in der Notaufnahme war, hab ich mir nach kurzer Nacht extra noch wie angeraten in der Kantine den Magen voll gestopft… 🙂
Nun hat man sich aber offenbar doch entschieden diese an das Ende des OP Plans zu stellen. Es handelt sich um eine septische OP. Der Patient ist 38 Jahre alt, drogenabhängig und an einer aktiven Hepatitis C erkrankt. Demnach müsste der OP in Folge dieser Operation zwei Stunden gereinigt werden. Ich freue mich drauf, muss mir unbedingt unter im Katheterlabor noch zwei Schutzbrillen besorgen, man hat uns darauf hingewiesen, dass es spritzen könnte, was im Falle des Falles zu einer Infektion über die Augenschleimhaut führen kann, die es zu vermeiden gilt. Sterniotomie (Öffnen des Brustbeins mit einer „Kreissäge“), Mitralklappenrekonstruktion bzw. im negativen Falle Ersatz durch eine künstliche Herzklappe.
Durch die Verschiebung der OP hatte ich die Möglichkeit an einem Vortrag des Kardiologiechefarzt vor den Kardiologen und Chirurgen beizuwohnen – Thema: Postoperative Antikoalgulation, also Gerinnungsteuerung nach der OP. Durch Medikamente wird, insbesondere bei Patienten mit gerinnungsinduzierten Herzproblemen (Herzinfarkt, künstliche Herzklappe etc.) oder auch mit Schlaganfall, eine Steuerung des Gerinnungsfaktor im Blut vorgenommen. Hierzu gibt man meißt das Medikament „Marcumar“ welches in der Leber die Bildung des Gerinnungsfaktor VII unterdrückt. Gemessen wird der Effekt im Labor durch den INR Wert (International Normalized Ratio). „Bis einschließlich INR 1,3 ist eine Operation bedenkenlos möglich“, so der Chefarzt der Chirurgie Dr. T. Um zu vermeiden dass der Wert darunter liegt und somit ein Verbluten des Patienten bei der Operation droht, bzw. andererseits bei zu hohem INR, einen Verschluss der Herzklappe (àGerinnung des Blutes an der Herzklappe durch Verwirbelung der Pumpfunktion) zu riskieren, wird die Marcumarisierung vier Tage präoperativ bis einen Tag nach der Operation abgesetzt. In diesem Zeitraum besteht die Möglichkeit individuell mit Heparin entgegenzusteuern. Bei Patienten mit minimaler Leberfunktion kann man mit Vitamin K unterstützen – Marcumar und Heparin werden in der Leber verstoffwechselt. Mit Marcumar postoperativ kann das Risiko eines postoperativen Herzklappenverschlusses (0,1 %) um 75% gesenkt werden. Die finale Aussage war, dass man „richtig therapiert, wenn sieben mal mehr Komplikationen durch Blutungen als durch verschlossene Herzklappen entstehen“. Eine klare Schlussfolgerung die deutlich macht, dass die Medizin und Forschung nicht alles kann, sondern eben nur den Therapie und Heilungsprozess weitestgehend optimieren.
Wieder auf Station angekommen, schaute ich kurz im Katheterlabor vorbei. Herr Dr. H., Oberarzt für Rhytmologie, bereitete eine Elektorphysiologische Untersuchung (EPU) durch – Mittwoch ist EPU Tag.
Die Patientin war tachykard (erhöhter Herzrhythmus). Es wurde vermutet, dass eine kreisende Erregung, also die Fehlleitung der Erregungsströme im Bereich desTrikuspidalringes, also dem Geweberings, der für die elektrische Trennung von Vorhof- und Vetrikelgewebe verantwortlich ist, die Ursache für die Tachykardie war – wiese waren im EKG durch Extrasystolen im Verhältnis 4:1, bzw 2:1 im Verhältnis zum Sinusrhythmus deutlich zu erkennen – siehe auch http://www.cardio-med.de/pdf/elektrophysiologie.pdf
Ziel dieser EPU ist es nun die Leitfähigkeit des Gewebring zu testen und ihn dann an entsrpechenden Steillen durch elektrisch erzeugte Hitze (bis 60° C) zu veröden. Diese wird zwischen einer Kathode und Anode innerhalb der Herzkranzgefäße erzeugt. Das kann für den Patienten durchaus schmerzhaft sein. Das Risiko einer solchen Behandlung liegt in dem erforderlichen Verödungsgrad einerseits, der andererseits auch immer mit einer Perforation des Herzgewebes einher geht.
Nachdem durch die EPU ein erster Sinusrhythmus erreicht wurde, erfolgte unter Stimulation eine weitere Behandlung um das Gewebe auch in alle Richtungen „kurzschlusssicher“ zu machen. Schlussendlich verlief die Behandlung sehr erfolgreich.
Gerade bin ich von der Herz-OP gekommen und ziemlich kaputt. Es war äußerst beindruckend und sehr spannend!
Wir holten den Patienten auf Station ab und fuhren mit dem Patienten zusammen nach unten. Mich beindruckte, wie locker er der Operation entgegensah. Auch hatte er im Vorfeld schon ein Medikament bekommen. „Ich fühle mich etwas schläfrig, was haben Sie mir gegeben“, fragte der Patient. „Rohybnol“, antwortete die Schwester. „Ah, da kenn ich mich aus, ein oder zwei Milligramm ?“. Wir musste alle lachen. Vor langer Zeit hatte der Patient ein Drogenproblem und war seit ca. 10 Jahren im Metadonprogramm und voll resozialisiert, und offenbar kannte er sich auch mit Medikamenten gut aus :).
Am OP Eingang angekommen wurde der Patient auf einen mobilen OP Transport umgelagert. Wir mussten uns verabschieden und gingen zur OP Schleuse.
Nach dem Umziehen in „OP Klamotten“ konnten wir in den sterilen OP Bereich. Ein sehr großen Areal von den die verschiedenen Räume abgehen. Vom Gang aus konnten wir den Einleiteraum einsehen. Dort wurde der Patient auf die OP vorbereitet. Er bekam einen Zentralen Venenkatheter (ZVK) in die Halsvene (Vena jugularis) gelegt. Dies ermöglicht während der OP schnelle Gabe von verschiedenen Medikamenten, die dann, aufgrund ensprechender zentralen Position im Blutkreislauf auch sofort ihre Wirkung entfalten.
Nach einem weiteren Aterienkatheter am Arm, u.a. zur Blutdruckmessung, bekam der Patient die Narkose – teilweise als Gas durch eine Maske, teilweise intravenös. Zudem gab man eine Relaxans, um eine einfache Intubation zu gewährleisten. Die Platzierung des Beatmungsschlauchs (Tubus) zwischen den nun entspannten Stimmbändern hindurch in die Luftröhre wurde damit vereinfacht.
Nachdem die Vorbereitung abgeschlossen war, wurde der Patient in den OP gefahren. Man deutete uns zu folgen. Der Operateur begrüßte uns mit Handschlag, was mich sehr überraschte und freute. Es herrschte eine sehr positive und konstruktive Stimmung. Generell konnte man alles fragen, wenn man die Chirurgen und das Team nicht bei der Arbeit störte. Was folgte war eine weitere Zeit der Vorbereitung. Der Patient wurde positioniert, Instrumente wurden bereitgestellt und jeder im Team nahm seinen Platz rund um den Operationstisch ein. Das Team des Anästhesisten befand sich am Kopfende, dort wurden die Beatmungsschläuche angeschlossen. Getrennt durch ein Tuch standen sich im Thoraxbereich der Operateur und die beiden Assistenzärzte gegenüber, zudem noch zwei Schwestern. Ein Medizintechniker bediente die Herz-Lungen-Maschine die später dann zum Einsatz kommen sollte. Zudem waren wechselnd zwei bis drei Leute zusätzlich um Raum die unterstützen – neue sterile Werkzeuge holen, einen sterilen Kittel für einen neuen Chirurgen bereitstellen etc. Eine orange Flüssigkeit, mit der der Patient großflächig eingerieben wurde, diente zur Desinfektion der, bei der Operation betroffenen Stellen. Dabei wurde auch das rechte Bein desinfiziert, offenbar um, für den Fall einer außerplanmäßigen Gefäßentnahme zur Bildung eines Bypasses, entsprechend vorbereitet zu sein.Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren begann der Operateur um 13.55 Uhr mit den ersten Schnitt. Subkutan (unter der Haut) wurden die Gefäße mit einer Art „Lötkolben“ verödet um eine Einblutung zu vermeiden. Danach durchtrennte der Chirurg mit einer Art elektrischen Stichsäge das Sternum (Brustbein) – eine eher handwerkliche Angelegenheit. Das ganze zu beobachten war sehr faszinierend. Mit dem Rippenspreizer, das wie ein „Wagenheber“ funktioniert, dehnte der Chirurg dann den Brustkorb an der Schnittstelle auf und legte das Herz frei. Bis dahin konnten wir noch nicht so gut sehen, da die Anästhesisten am Kopfende sehr viel zu tun hatten, und der Platz oberhalb der sogenannten „Blut-Hirn-Schranke“, ein gespanntes Abdecktuch zwischen dem Arbeitsbereich der Anästhesisten (Kopf) und dem Operationsfeld und Tätigkeitsfeld der Chirurgen (Herz).
Sehr schön deutlich wird der Ablauf in diesem Schulungsfilm. Genauso habe ich es erlebt – (Film für DSL optimiert, bei niedriger Übertragungsrate http://www.ennker.de/op-bilder-videos/index.html)
Mediane Sternotomie
http://www.ennker.de/op-bilder-videos/videos/gross/01_Mediane_Sternotomie.wmv
Im Folgenden wurde das Herz dann an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen.
Mittels einer Kanüle wird der Vorhof und die Aorta punktiert um das Blut nicht mehr durch das Herz sondern durch die Herz-Lungen-Maschine zu leiten. Sehr schön wird das ebenfalls in diesem Film dargestellt.
Totaler Anschluss Herz-Lung-Maschine
http://www.ennker.de/op-bilder-videos/videos/gross/03_Anschluss_HLM_totaler.wmv
Die Einleitung einer vier Grad kalten, stark kaliumhaltigen Flüssigkeit, die sog. Kardioplegische Lösung (7,45 % Kaliumchloridlösung), in den Herzbeutel eingeleitet sorgt für die Unterdrückung des Kontraktionsreflexes und führt somit zum Herzstillstand. Die Mitralklappenrekonstruktion kann beginnen. Während der Wartezeit auf den Herzstillstand hatte ich die Möglichkeit die Chirurgen ein paar Sachen zu fragen, war echt super. Ich war erstaunt, dass das Herz mit einer Fettschicht bedeckt ist. Als Laie hatte ich gedacht, dass eher rot und fleischig aussieht. Durch die Fettschicht war es aber eher gelb und glibberig.
Bei der Mitralklappenrekontruktion wird ein Ring in die Herzklappe eingenäht. Auch das wird in diesem Film sehr schön dargestellt.
Mitralklappenersatz
http://www.ennker.de/op-bilder-videos/videos/gross/17_Mitralklappenersatz.wmv
Gegen Ende des Festnähens des Rings, gab der Chirurg das Signal an den Medizintechniker die Bluttemperatur langsam wieder anzuheben. So wird die Reanimation des Herzens unterstützt. Nach Abschluss der Mitralklappenrekonstruktion begann der Chirurg durch Handmassage das Herz zu stimulieren, ehe er mit so genannten Paddles durch einen Elektroschock am offenen Herzen das Herz reanimierte. Vorher wurden die, während des Totalen Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine, abgeklemmten Gefäße wieder freigegeben Ein Folge der Reanimation begann das Herz von selbst wieder zu schlagen.
Der schwierigste Teil der Operation war nun geschafft. Zur Kontrolle der Rekonstruktion wurde nun ein TEE (Transösophagusalesechokardiogramm), eine Ultraschalluntersuchung der Herzens durch die Speiseröhre durchgefürft. Die Dagnose ergab einen erfolgreichen Verlauf der Operation. Daraufhin verließ der Operateur den OP – nach mehr als zweieinhalb Stunden äußerster Konzentrationsarbeit (!!). Die Assistenzärzte übernahmen den Thoraxverschluss. Dabei war die Stimmung im OP sehr gelöst, und ich konnte noch sehr viele Fragen stellen. Alle waren wirklich sehr nett.
Thoraxverschluss
http://www.ennker.de/op-bilder-videos/videos/gross/19_Thoraxverschluss.wmv
Nach der OP, es war mittlerweile 18.30 Uhr, ging ich wieder auf Station. Nach einiger Zeit am Computer baute sich die Spannung ab und ich wurde ziemlich müde. So entschied ich mich in die Unterkunft zu gehen. Für halb Neun hatten wir mit einigen Freunden geplant in die Stadt zu gehen, so konnte ich mich noch ein bischen erholen.
Was für ein Tag !! Begeistert und beindruckt verlasse ich das Krankenhaus, morgen ist Feiertag, auch im Krankenhaus. Werde in der Notaufnahme und freue mich schon jetzt darauf…